Von Felsen, Stufen und Busfahrern
Vor einigen Jahren an der Amalfiküste (südlich von Neapel) verbrachte ich einen müden Tag am Pool, mein IPad auf dem Schoß hab ich das in die Tasten gehauen, was mir so zum Treiben an dieser Kiste auffiel. Als herbstlicher Rückblick auf einen der schönsten Küstenabschnitte dieser Welt darf dies heute in die Öffentlichkeit. Das laute Treiben möge den ruhigen Feiertag heute ein wenig aufmischen.
Zwischen Staunen und Schwärmen
Hm, irgendwann muss mal irgendwer all die vielen Terrassen in den steilen Amalfitana-Fels gebaut haben, darauf Zitronenbäume, deren Kronen von Gerüsten aus groben Ästen gehalten werden. Am Ende der Terrassen sind jeweils schwarze und grüne Netze zusammen gerollt, sie schützen die Zitruspflanzen im Winter vor den kalten Winden und im Sommer vor kleinen gefräßigen Wesen.

An anderer Stellen sind auf den Terrassen ganze Häuser errichtet, hoch hinaus, im Inneren mit kleinen Zimmern, außen immer eine lauschige Ecke unter Rankpflanzen, meist Wein oder Knöterich, auch einige gelbe Amalfi-Zitronen, die sich den Freisitz anschauen.

Die Busse der Amalfitana
Immer zu hören sind die Busse, die – meist überfüllt – die Menschen über die enge Küstenstraße schuckeln. Die Busfahrer haben eine eigene Sprache entwickelt, und man tut gut daran, diese als Nutzer der Straße zu verstehen. Ein energisches mehrfaches hochtöniges Törö-lörölö heißt WEG DA, ICH KOMM JETZT UM DIE KURVE, ein kurzes Tlö oder auch Tölö heißt DANKE oder auch BITTE oder auch, wie es bei uns in der Dienstleistungsgesellschaft heißt: GERNE!!! (ebenfalls hochtönig bis flötend gesprochen). Die Ungeduld des Busfahrers manifestiert sich langsam, aber unüberhörbar, sobald ein entgegenkommender Autofahrer nicht schnell genug Platz macht: Töllö (FAHR), Töllölöö (MEIN GOTT! NUN FAHR, SO KOMM ICH NICH RUM) und dann ein Tlölöölöö-lölölöööö-tädätä (WIE KANN MAN NUR SO BLÖD SEIN?!), letzteres begleitet von Schimpfen und verbalen Anweisungen des Busfahrers an den Begriffsstutzigen durch das geöffnete Fenster….


Entgegenkommende Busse verstehen sich meist ohne „Worte“, in der Kurve setzt halt einer zurück, der andere folgt ihm subito, so sehen sich Busfahrer und Busfahrer beim Kurventanz in die Augen, sie verabschieden sich mit Tlöö, beantwortet mit tölö… alles klar?
Die anderen Verkehrsteilnehmer
Welpenschutz haben auf der Küstenstraße die Rollerfahrer. Auch Busfahrer nehmen Rücksicht und lassen die Vespas gewähren, wenn sie doch noch schnell an ihnen vorbeisausen, obwohl schon für das dicke Gefährt alleine kein Platz ist. So als seien die Busfahrer den Zweiradfahrern dankbar dafür, dass sich nicht auch noch die Straße mit Autos verstopfen…
Fußgänger und Fahrradfahrer werden hingenommen wie eine am Rand stehende Mülltonne, man hält als motorisierter Straßennutzer beim Vorbeifahren auch nicht mehr Abstand als zu dieser, hat eigentlich gar kein Verhältnis zum unmotorisierten Teil dieser Erde. Man tut ihr nichts, aber man kommt auch gut ohne sie klar.

Deshalb gibt es auch außerhalb der im Felsen der Küste hängenden Ortschaften kaum Gelegenheit, einen netten Spaziergang zu machen. Einfach nur mal zur Entspannung eine Passegiata machen, ohne am Ende feststellen zu müssen, dass man einen der legendären 1.000 Stufenpfade erklommen hat, der schon seit Jahrhunderten den einen berühmten Felsenort mit dem anderen weniger berühmten Küstenort verbindet? Einfach nur mal so? Geht nicht.

Zugegeben, in einem solch schwachen Moment malt man sich als Ruhesuchende aus, wie die Küstenstraße verkehrsberuhigt wirken könnte: nur elektrisch betriebene schmale Busmutanten, die in kurzen Intervallen in die eine oder andere Richtung schleichen, kein Individualverkehr natürlich, Rollerfahrer sind out, Spaziergänger sind relaxt. In der Hightechvariante noch etwas schräger: Führerlose Waggöngchen, die auf Schienen dahergleiten, ein kurzer Stopp und weiter gehts rauf und runter im Flüstertempo.
Doch: Wenn man dort so sitzt und auf das Treiben der Straße hinabschaut, kann jedenfalls ich mir die Küste nicht ohne Tölööös und tlös vorstellen.