Nachdem ich das 55plus-Dasein in meinem Blog-Titel aufgenommen habe, möchte ich doch einmal darüber philosophieren, wer das eigentlich ist – die Generation 55 plus.
Man hat schon von der Generation x und y gehört, auch die Generation Golf ist uns noch in Erinnerung, aber wer sind die heutigen 55plus-Jährigen? Wer sind wir eigentlich? Sind wir schon Senioren? Sind wir Best-Ager? Das „graue Gold“? Die „Silver-Surfer“? Oooh, eins schlimmer als das andere…Wer´s genauer wissen möchte, möge in Wikipedia nachsehen, schaurig.
Dabei kann man gar nicht wirklich sagen, wer das eigentlich ist, die 55ff-Spezies. Da ist schon jeder für sich sehr speziell.
Eines aber haben wir in der Tat alle gemeinsam:
Das ist von Kindesbeinen an unser gehäuftes Auftreten. Wir gehören zu den geburtenstarken Jahrgängen – also richtig bärenstark! Das hat uns manchmal viel Freude beschert: Wir hatten keine Mühe, Freunde zu finden, die Gleichaltrigen waren überall zahlreich vorhanden, im Sandkasten, auf der Straße (auf der haben wir nämlich gespielt), in Baustellen, natürlich auch in der Schule. Als wir aus dem Disko-Alter rauswuchsen, machten die Läden, die vorher wie Pilze aus dem Boden sprießten, reihenweise wieder zu.
Heute steht den Demographen der Schweiß auf der Stirn, wenn sie an uns 55plus-ler denken: Wenn wir dann endlich in Rente sind, kann uns keiner mehr bezahlen. Jedenfalls können das nicht all die vielen Einzelkinder, die von ihren Eltern zu ihrem Spielkameraden gefahren werden mussten oder die in putzigen Spielgruppen den Kindergartenplatz abwohnten.
In frühen Jahren wurde uns – den Mannigfaltigen – der Begriff Kurzschuljahre so vertraut wie Petzi, der Igel: In NRW wurden wir damals in Massen durch die Schule geschleust, und um das Ganze zu beschleunigen, gab es 2 „Schuljahre“ jeweils nur ein halbes Jahr lang. Ich hatte also die 2. und 3. nur im Miniformat, also je ein Halbjahr. An Proteste unserer Eltern kann ich mich eigentlich nicht erinnern, ich wüsste nicht, dass man sich um unsere Chancen in der Gesellschaft Sorgen machte, nur weil wir etwas weniger Unterricht genießen dürften. – Wahrscheinlich hab ich aber deshalb nie richtig rechnen gelernt, es hat nur keinen gekümmert.
Wirklich eng wurde es auf der Mädchen-Realschule. Ich begann in der 5. Klasse mit 47 ( s i e b e n u n d v i e r z i g) Mitschülerinnen! Die armen Lehrer tun mir heute noch leid, denn nicht jede(r) hat es geschafft, in diese geburtenstarken Mädelshaufen Ruhe rein zu bringen. Man stelle es sich vor: Die Pulte in endlose Reihen hintereinander geordnet, erst nach Wochen hatte ich die Gesichter, die hinten saßen, erstmals aus der Nähe gesehen. Vorne bemühten sich junge Lehrerinnen um unsere Aufmerksamkeit. Ich glaube, manchmal waren sie froh, wenn alle Mädchen nach dem Unterricht unverletzt geblieben waren.
Der Troß der jungen Vielen drängte später zum Abitur. Die Nachrücker aus der Realschule wurden in erweiterten gymnasialen Oberstufen aufgenommen, teils wurde diese komplett neu aufgebaut. Nicht selten war der Schritt in die gymnasiale Oberstufe aus der Not geboren: Hippe Lehrstellen waren Mangelware, Ideen dazu, was man werden wollte, auch. Man bedenke, wir waren ja nach der 10. Klasse ein Jahr jünger als andere (!Kurzschuljahre!), und Schule ging ja fast immer. Auf dem Gymnasium ließ man jedenfalls keine Gelegenheit aus, uns mitzuteilen, dass die Welt nicht auf uns gewartet habe, dass man ja gehen könne, dass man uns nicht brauche und von uns am Ende eh nur 30 Prozent übrig blieben. In den unzähligen Freistunden gab es Mittagessen im Imbiss oder auch jede Menge Kaffee bei der Schulfreundin. Der Zustand von Körper, Geist und Seele der Schüler stand da nicht so im Fokus.
Das Studium war natürlich ebenso von Überfüllungen mit Meinesgleichen gekennzeichnet. Na ja, nur am Rande erwähnt: Mein Studium dauerte doppelt so lange wie die eigentliche Regelstudienzeit. Ich fand eben nur nach langen Warteschlangen auf den Fluren der Uni hier und da einen Prof, bei dem ich einen Schein machen dürfte. In 2-3 Semestern war er dann gnädig und er ließ sich mich in seinem Fach zum Examen zu. Die Profs arbeiteten die Welle der examenswilligen Studenten über die Zeit ab, ansonsten wäre sie ja glatt in einzelnen Semestern über die Maßen an ihre Lehrtätigkeit gefesselt gewesen. Jedenfalls: Es zog sich…
Einen Job haben wir – ob mit oder ohne Abi oder Studium – dennoch bekommen, denn glücklicherweise ging mit den erwachsen werdenden Babyboomern auch ein relativer Wirtschaftsboom einher. Und: Wir haben gelernt, mit etlichen Widrigkeiten im Leben klar zu kommen und bisweilen zu improvisieren: Das hab ich studiert? Aber den passenden Job bekomm´ ich nicht? Improvisier ich und mach was anderes.
Dieser souveräne Umgang mit unerwarteten Situationen kommt mir heute noch z.B. beim Straßenbahnfahren oder auch beim Kochen zu Gute – immer dann, wenn etwas nicht kommt oder wenn etwas anders schmeckt wie geplant.
Fazit: Es geht immer was, und es wird gut oder, wie in meinem Lieblingsfilm Teil 1 mehrfach ausgeführt:
Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ende.
Dem hab‘ ich nichts mehr hinzu zu fügen…