Ein netter junger Herr, der von der Zielgruppe dieses Blogs eigentlich ein halbes Menschenleben entfernt ist, fragte mich nach einem Beitrag über Schlaf.
Kommen wir also zu Menge und Zeitpunkt des täglichen „Ruhestands“: Ich meine ja, jeder mag sich grundsätzlich so viel davon holen, wie er eben braucht.
Als Baby oder als Kind ist es noch einfach, da sind ja ohnehin alle froh, wenn es (ein-)schläft. Klingeln und Telefone werden abgestellt, Pantoffeln angeschafft, Halter kläffender Hunde in der Nachbarschaft werden angezeigt. Zumindest der Nacht- und der Mittagssschlaf der Kleinen ist durchaus gesichert und wird von den Älteren wohlwollend behütet. Früh wachen Sie allerdings auf, die kleinen Lerchen, bereit, den frühen Wurm zu fangen.
Mit dem Älter-Werden ändert sich das: Auf dem T-Shirt steht „Der frühe Vogel kann mich mal“, doch das Leben weiß es besser. Das Zwitschern des Weckers ist unerbittlich, wer kam eigentlich auf die blöde Idee, den Knopf zur Wiederholung des Weckrufes ausgerechnet „Schlummer„-Funktion zu nennen?! Es hilft nichts, Verpflichtungen, Freunde, Geselligkeit nehmen zu und halten einen wach. Und das Umfeld? Schlaf wird von den Eifrigen als „Bruder des Todes“ bezeichnet, verschlafene Zeit ist vertane Zeit. Das führt dann unweigerlich ab einem gewissen Alter zu chronischem Schlafmangel. Ein Jammer, in diese müden Augen zu blicken!
Auch im Endmodus (sagen wir mal so ab etwa Mitte dreißig?), wenn sich nach der Eulenzeit, die wir alle durchlaufen, entscheidet, ob wir bis in die Nacht munter bleiben oder lieber mit dem Sonnenaufgang erwachen, bleibt eins gewiss:
Es gibt nicht den mengenmäßig geregelten, für jeden als Mindest- oder Höchstmaß verbindlichen, hundertfach bewiesenen zu befriedigenden Schlafbedarf! Der Beweis:
Vor Jahren hatten meine Kollegen wie auch ich erstmals mit professionellen Business-Beratern in unserem Unternehmen zu tun. Alles sehr interessant, aber was beeindruckend oder rätselhaft war für Menschen wie mich – festes Arbeitsverhältnis mit geregelten Arbeitszeiten, ja doch, auch mit Überstunden – waren deren Anwesenheiten. Die waren immer da! Morgens hatten die schon um 6 Uhr im Taxi die erste Rücksprache mit ihrem Chef (da drückte ich noch auf die Schlummer-Taste), abends um 23 Uhr die letzte Telefonkonferenz, danach wurden Unterlagen für den nächsten Tag vorbereitet (da musste ich schon längst keine Schäfchen mehr zählen). Letztlich raunten wir – die Angestellten – uns über die diversen Hierarchiestufen hinweg zu: „Ja, schlafen die eigentlich nie?“
Tatsächlich, einige der „Berater“ brauchten nur ca. 3-4 Stunden Nachtschlaf, waren also auch hier höchst effizient: Die waren immer putzmunter, die machten nach ihren Telkos sogar noch Sport oder hatten Ehrenämter, deren Zeitaufwand bei normalen Schlafwandlern einen Fulltimejob bedeutete. Das waren dann überwiegend die Häuptlinge. Bei manchen Indianern unter den Beratern kam es nach einigen Wochen ebenfalls zu Abnutzungserscheinungen, sichtbar an ihren Ringen unter den Augen oder dem eher gequälten Lächeln, wenn wir 2 Stunden nach deren Arbeitsbeginn mit einem fröhlichen „Guten Morgen!“ erschienen. Diese sehnten das Projektende herbei, das ihnen bis zum nächsten Projekt eine Auszeit zur Erholung bescherte. Die Wenig-Schläfer unter den Indianern allerdings kündigten an, nach Projekt-Ende erstmal ihre Doktor-Arbeit zu schreiben – ohne Worte….
Gehört man zu der Spezies, die eher acht Stunden schlummert, dann ist das Berufsspektrum eher reduziert: Häuptling bei einem Beratungsunternehmen und zusätzliche Ehrenämter etc. geht nicht; Indianer bei so einem Laden geht nur, wenn die Belastung nur vorübergehend ist. Häuptling wird man dann da allerdings nicht. Ist so.
Ansonsten sind die Geschöpfe mit größerem Schlafbedarf nicht weiter eingeschränkt. Um die Zeit wieder rein zu holen, heißt es: irgendwas weglassen oder Powernapping oder Mittagsschläfchen kultivieren. Und – zur Beruhigung für den oben genannten jungen Herrn mit den bisweilen müden Augen – bei nur geringem Ruhebedürfnis muss man den langen Tag und die lange Nacht auch erstmal rumkriegen und keine Langeweile aufkommen lassen.
Das ist auch nix für jeden.
Eine wunderbare Abhandlung über den Schlaf mit humorvollen Zügen!
Klasse geschrieben!!
Die Schlummertaste, genau, wieso eigentlich Schlummer?? Diese Tasten-Bezeichnung ist ja eigentlich ein derber Tritt in den Hintern für absolut unausgeschlafene Menschen, die aufstehen MÜSSEN! Und die interessanten über Generationen weitergegebenen Sprüche über den Schlaf, haha, die sind klasse zum Teil.Der Schlaf ist der Bruder des Todes…hmmm. wieso eigentlich Bruder und nicht Schwester oder andere Verwandtschaftsgrade?
Der frühe Vogel fängt den Wurm, tut der späte doch auch. Es gibt doch nicht nur einen Wurm auf Gottes Erde. Deshalb.. der frühe Vogel kann mich mal.
Über die Schlafmenge und wann ist der Schlaf am besten, darüber wird ausgiebigst diskutiert.
Manch einer trickst den Schlaf mit Hilfe von Chemie aus und hat trotzdem dicke Augen nach Tagen.
Und wie halte ich es persönlich! Ganz einfach.. mit der alten Weisheit:
Im Alter braucht man weniger Schlaf.
In diesem Sinn wünsche ich eine gute Nachtruhe.
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Das klingt ja wie eine humorvolle Abhandlung meines beruflichen Daseins 🙂 Ein Tag im Leben eines Beraters
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Stimmt, so war (und ist) es wirklich. Schön war auch die Geschichte, als unsere Berater spät abends, lange nach der allgemeinen Arbeitszeit, übermüdet aus ihrem Projektraum kamen, alles stockdunkel! Flur-, Treppenbeleuchtung zentral ausgeschaltet, düster eben. Sie schlichen dann mit der Displaybeleuchtung des Laptops, das sie natürlich dabei hatten, Richtung Ausgang und schreckten dabei einen Sicherheitsbeamten auf. Man hatte vergessen, diesen den lange arbeitenden Besuch anzukündigen. Was ’ne Aufregung, noch Tage danach. Da hab ich schon längst geschlafen. Mein Schlafbedürfnis steht einer solchen Karriere allerdings im Weg, aber, es ist ja trotzdem was aus mir geworden 🙂
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