Beim Spaziergang und beim Wandern kann man durchaus Dinge lernen, die einem bei anderen Beschäftigungen verschlossen bleiben. Hier die wichtigsten Erkenntnisse in ungeordneter Reihenfolge:
Der große Unterschied
Beginnen wir mit dem Unterschied zwischen Spaziergang und Wanderung.
Natürlich bastelt sich ein jeder seine eigene Definition – durchsetzungsstark ist allerdings eine Definition, die schon vor etlichen Jahren meine Schwester postulierte, als wir einige Tage (über Silvester) im Schwarzwald verbrachten. Das kalte, aber schöne Wetter lockte uns doch einmal aus der warmen Wirtsstube und der unterhaltsamen Runde. Sechs Personen machten sich unter großem Getöse und langem Anziehen mit den warmen Mänteln, Mützen und Schals auf den Weg. Nach einem gemütlichen Spaziergang mit Einkehr nach 45 Minuten und dem ebenso gemütliche Rückweg stellte meine Schwester erfreut fest: „Das war ja schon eine ausgewachsene Wanderung! Alles über einer Stunde ist Wanderung, ab da wird es anstrengend!“
Und so ist es bis heute geblieben, alles darunter ist Spazierkram – die Stunde zählt! Ab Wandern ist Vorbereitung gefragt!
Die grauen Linien und die grauen Zellen
Soll es eine Wanderung sein, ist es unabdingbar, sich vorzubereiten und eine Route auszubaldowern. Dazu muss man lernen, mit Karten umzugehen, d.h. Karten auszuwählen und zu lesen. Ich habe es bis heute nicht raus, Karten in der richtigen Auflösung und auch für das richtige Zielgebiet zu erstehen.
Das Hochgebirge mit seinen Klettersteigen brauch´ ich jetzt nicht, befindet sich aber in meinem Besitz. Die Laienkarte mit der Abbildung der Umgebung, wo alles nach Spazierweg unter einer Stunde aussieht, hilft mir auch nicht, wenn ich nach 3 Stunden immer noch weit, sehr weit von meinem Ziel entfernt bin.
Besonders schwierig ist der Transfer von der Karte auf die Realität: Länge des Weges, Zeitaufwand und – im bergigen Umfeld der Knackpunkt – Höhenmeter (wieviel muss man rauf und wieviel muss man runterstapfen) sind die Königsdisziplinen. Infolgedessen geht das dann dann durchaus mal schief.
Die Kenner wissen: Die grauen Linien in Kartenmaterial der Berge sind das Wichtigste; jede graue Linie, die den Weg kreuzt, bedeutet Anstieg – je mehr Linien, umso höher, je enger die Linien, umso steiler ist der Anstieg. Das Nichtbeachten dieser hellen Hinweislinien ist uns schon einige Male zum Verhängnis geworden.
Die grauen Zellen lernen die grauen Linien erst Wert zu schätzen, wenn sie von den Muskeln des Körpers eindeutige Erschöpfungssignale erhalten und möglicherweise von diesen Körperpartien beschimpft werden: „Ihr Hirnis, Ihr lasst Euch von uns in der Gegend rumtragen und macht es Euch gemütlich, während wir – die Bänder, Muskeln der unteren Extremitäten und auch der Rücken – für Eure Dusselei büßen müssen, passt gefälligs besser auf, was Ihr uns hier zumutet!“

Umgekehrt ist die Signalkette der grauen Kartenlinien ebenso zu lesen – wenn man es weiß. Meine grauen Zellen haben seinerzeit gelernt, nicht den Konditionshemmern Lunge und Herz zu glauben, die behaupten, der Abstieg sei ja easy, nicht so anstrengend. „Komm – wir fahren mit der Seilbahn hoch und wandern dann gemütlich 3 Stunden ins Tal hinab.“ Aber nach 800 Höhenmetern, die untrainiert bergab zu bewältigen sind, ist das Gezetere der ausführenden Wanderorgane noch größer als andersrum: Die Waden, der Rücken, die Oberschenkel, o Graus, die kriegen sich nicht mehr ein. Mein Körper hatte nach einer solchen Aktion tagelang Mühe, zum Abendessen zu gelangen – es waren 3 Stufen in den Speisesaal zu bewältigen. Nur strengste Liegen-Ruhe im Garten unter dem Sonnenschirm konnte den Originalzustand wieder herstellen.
Hilfsmittel
Bei der Orientierung (Wo bin ich?) helfen inzwischen moderne technische Hilfsmittel. War man vor wenigen Jahren noch darauf angewiesen, mit Papierkarten und mittels Versuch und Irrtum den richtigen Weg zu finden, so helfen heute Karten im Smartphone und das GPS sehr zuverlässig bei der Orts-Erkenntnis. In manchen Regionen stehen online ganze Wandertouren mit ordentlichen Beschreibungen und Karten bereit, die man auf sein Iphone o.ä. laden kann. Verloren in der Landschaft stehen und nicht wissen, wo man denn nun gerade ist, das passiert einem so eher nicht mehr.

Auch die bisweilen unzuverlässigen Angaben auf Wegweisern über Kilometer bzw. Gehminuten bis zum Ziel kann man auf diese Weise bestens überprüfen. Eine ordentlich App und – schwupps – kann man selbst einschätzen, ob die Schilderangaben auf deutlich sportlichere Leute abzielen oder ob man da womöglich mithalten kann. Da werden aus 1 ½ angegeben Stunden schon mal schnell 2 ½. Es hilft, wenn man darauf mental vorbereitet ist.
Es macht in jedem Fall Sinn, alle erdenklichen Hilfsmittel schamlos auszunutzen – wir fahren ja heute auch nicht mehr Fiaker, sondern SUV. Also, aufrüsten!
Einkehren
Hiermit ist jetzt nicht die innere Einkehr gemeint.
Bei einer genüsslichen Wanderung ist es einfach nur schön, wenn ab einem gewissen Erschöpfungsgrad eine Einkehrstation auftaucht, zum Trinken, Ausruhen, etwas landestypisches Essen.
Ultimativer Tipp: Schon bei der Planung der Tour solche Anlaufpunkte suchen und sofort (im Internet oder bei der Frau Wirtschaft geht das meist) nach den Ruhetagen erkundigen. Es macht wirklich keine Freude, erst kurz vor der ersehnten Jausenstation den Hinweis „Ruhetag“ vorzufinden und dann eben doch auf die innere Einkehr reduziert zu werden.
Das Grüß-Gotten
Noch vor einigen Jahren, bei den ersten Wanderungsversuchen im alpinen Gelände, war ein jeder eifrig darauf bedacht, ordentlich ein deutliches Grüß-Gott auszurufen, sobald andere Wandersleute in Sicht kamen. Als Neuling kam man sich vor wie beim ersten Besuch eines klassischen Konzerts: Macht man es richtig? Ist das Grüß-Gotten korrekt? Rutscht einem die falsche Begrüßung raus? Ein Grüß-Gott pro Person, auch bei einer Gruppe von Entgegenkommenden? Doch mit der Zeit gewöhnt sich selbst die rheinische Zunge an das alpine Ritual, es fluppt. Stark frequentierte Wege wurden auch gerne Grüß-Gott-Weg genannt , weil man aus der Begrüßungsarie gar nicht mehr raus kam, egal, ob man herab stiefelte oder bergan keuchte.
Diese herrliche Grüß-Gott-Disziplin hat – so musste ich zuletzt feststellen – doch frappierend nachgelassen. Heute gibt es eine Vielzahl von Varianten den Grüßens oder auch des Nicht-Grüßens. Das Entgegenkommen des Wanderers verläuft weniger rituell, ist aber dadurch nicht wirklich freier und netter geworden:
Grüß Gott, Guten Tag, Tach, Hallo, freundliches oder kaum merkliches Nicken sind immerhin erkennbar und scho´ recht. Es gibt allerdings auch das leise Grunzen, das Schweigen, den Blick auf den Boden – ja tatsächlich, nicht mal mehr der Blickkontakt ist selbstverständlich. Schad´ drum…..
Tipp: Nicht drum scheren und auf Teufel komm ‚raus Grüß-Gotten, das befreit!
Ausrüstung
Oh, darüber gibt es so viel Tipps und Ratschläge, dass ich diese hier nicht alle wiederholen will. Lauft in Klamotten, in denen Ihr Euch wohl fühlt und in denen man auch mal schwitzen darf. Und Eincremen nicht vergessen, wenn´s sonnig ist.
Aus der Mode
Ein fröhliches Liedchen trällern, jede Kirche auf dem Weg besichtigen, Obst aus am Wege liegenden Gärten klauen,

einen schweren Rucksack mit Proviant für die ganze Kompanie oder mit professioneller Fotoausrüstung schleppen, Multifunktionswesten anziehen mit ca. 30 Taschen für den Kram, der sonst im Rucksack war, liebevoll gepflegte Gemüsegärten als Damenklo umfunktionieren, 1 Wanderstock mit Schildchen der Wanderziele als Zierde, ein Kompass.
Immer noch in Mode
Vom Regen überrascht werden und Schirm aus der Tasche ziehen, bei vorzeitiger Erschöpfung im nächsten Ort ein Taxi für den Rückweg ordern, den Muskeln ein Glas Wein zum Auflockern gönnen, für An- und Abstiege 2 super-sportliche-ultraleichte- Stöcke verwenden, mit der Seilbahn rauf, aber auch wieder runter fahren und zu guter Letzt:
Das Wandern an sich!